Einmal Island und zurück
1. Tag, 26. Juli 2018
Mit dem Zug nach Aarhus entkomme ich der bulligen Hitze von 34°C in Hamburg. In Aarhus ist es nicht weniger heiß, aber erträglich durch die Ostsee und wegen der zunehmenden Freude auf das neue Abenteuer „Einmal Island und zurück“.
2. Tag, 27. Juli 2018
Nach erfrischendem Schlaf im Hotel „Cabinn“, geht es ab zum Hafen, um nach der Pollux Ausschau zu halten. Sie liegt bereits an der „Hafentankstelle“, danach geht's zum Containerterminal 43.
Die Pollux ist mit ihrer 5.500 Containerkapazität halb so groß wie die Cap San Marco und die Gangway hat überschaubare 23 statt 72 Stufen. Die Ladung besteht überwiegend, so der 1. Offizier aus der Ukraine, aus leeren Kühlcontainern, die in Island bzw. auf den Faröer mit Fisch neu belanden werden. Meine Kabine mit einem eigenen Schlafzimmer ist gemütlich und als erstes werden die bemalten Bullaugen von Kai, Ava, Alvi und Milo sowie das Yellow Submarine aufgehängt, ebenso die Landkarte und das Alvi-Lego-Containerschiff-Badewannen-Foto.
Die Besatzung aus Polen, Russland insbesondere Wladiwostok und Kaliningrad, der Ukraine und den Philippinen (Crew sowie 2. und 3. Offizier) ist freundlich – warum auch nicht – und die erste Mahlzeit an Bord schmmmeckt!
3. Tag, 28. Juli 2018
In der ersten Nacht an Bord habe ich gut geschlafen und notiere die Position „1. Morgen“ auf der mitgebrachten Landkarte. Es gibt keine besonderen Vorkommnisse. Das Schiff wird erkundet und der Lieblingsplatz auf dem Poller beim Bug ist gefunden. Erstaunlich an Bord ist die Gemüse- und Gewürzzucht. Der Kapitän und der zweite Maschinist, der von einer eigenen Farm träumt, sind passionierte Gärtner und sehr stolz auf ihre zu erwartende Ernte.
4. Tag. 29. Juli 2018
Wieder gut geschlafen, kommt bereits Routine auf: Der erste Espresso, der Besuch der Brücke, um Schiffsposi-tionen zu checken, der Eintrag auf der Landkarte mit „2. Morgen“. Glücklich, das Meer unfreiwillig lange beobachten zu können, wegen eines Maschinenschadens liegen wir sechs Stunden nahe der norwegischen Küste vor Anker, geht der Tag mit einem Glas Wodka zu Ende.
5. Tag, 30. Juli 2018
Diese Nacht habe ich nicht gut geschlafen. Bereits am Abend kommt Sturm auf, das Schiff schaukert gewaltig und die Kabine wird unfreiwillig aufgeräumt. Über Nacht verändert sich die Windstärke kaum, jedoch die Höhe der Wellen auf 6 Meter, so dass der Kurs vor den Faröer kurzzeitig geändert werden muss, um nicht weiter längsseits in ein Wellental zu „rutschen“. Der Sturz – ich fliege tatsächlich ohne Bodenkontakt durch die Kabine – gibt mir eine schmerzhafte Rippenprellung gratis, aber keine Seekrankheit. Beim erzählen der Kapitän und die beiden russischen Maschinisten, dass sie auf dem Sofa geschlafen hätten, um nicht im Bett hin und her rollen zu müssen.
6. Tag, 31. Juli 2018
Das Nordmeer nördlich der Faröer beruhigt sich und das Essen schmeckt. Die Fahrt entlang der Küste Islands ist bei klarem Wetter sehr entspannt. Eigentlich ist ein Landgang in Reykjavik für den Nachmittag angesagt, doch dann die Nachricht von der Hafenverwaltung, dass erst in 18 Stunden die Einfahrt in den Hafen genehmigt wird.
7. Tag, 1. August 2018
Es ist tatsächlich schönes Wetter und die Berge sowie Täler in der Bucht strahlen im Sonnenlicht. Los geht`s mit dem Shuttlebus zum Terminalausgang und dann zu Fuß 5 km Richtung Stadt, immer den beeindruckenden Turm der Hallgrimskirkja im Blick. Im Stadtzentrum angekommen, wimmelt es von überwiegend deutschen aber auch amerikanischen und kanadischen Touristen, die in der Hauptstraße „Laugavegur“ flanieren und die Souveniershops mit Woll-Produkten aus Island und Kitsch „Made in China“ stürmen. Los geht es (natürlich) zum Saga-, zum Vulkan- und anschließend zum Modern-Art-Museum, in dem bekannte lokale und internationale KünstlerInnen mit ihren Arbeiten den besonderen Zauber isländischer Landschaften einfangen. Ein toller Tag!
8. Tag, 2. August 2018
Nach tiefem Schlaf, die wunden Füße und der lahme Rücken sind erholt, steht Containerstapelgucken auf dem Programm, beruhigend und mit schönen Erinnerungen an die Cap San Marco. Irgendwie läuft es überall gleich, nur dass die Dimensionen andere sind. Um 13.30h Ortszeit beginnt die Heimreise über die Faröer nach Aarhus.
9. Tag, 3. August 2018
Der Tag auf See beginnt mit einem schönen Sonnenaufgang, der natürlich mit einem Espresso zelebriert wird.
… Und dann der Aufstieg in das „Krähennest“. Früher wurden Krähen auf Schiffen mitgeführt, um mit ihrer Hilfe Land zu finden. Eine Krähe wurde dann freigelassen und das Schiff folgte ihr. Viele Abenteuergeschichten und gesponnende „Seemannsgarne“ ranken sich um dieses „Nest“. Nun endlich bin ich an der Reihe. Leichtfüßig (ein wenig übertrieben) kraxel ich Sprosse für Sprosse hoch mit dem Captain beschützend hinter mir. Die gefühlte Leichtigkeit über den vor sich hin summenden Kühlcontainern ist grenzenlos. Ich entscheide mich dafür, mit einem lauten Schrei, Land zu entdecken. Verrückt, aber es ist wunderbar, wie mein Kindheitstraum nun endlich in Erfüllung geht!
10. Tag, 4. August 2018
Und „plötzlich“ ist die Pollux nach einer ruhigen Nacht auf den Faröer. Die Einfahrt in den Hafen und das Anlegen habe ich verpennt. Der kleine überschaubare Hafen, er hat nur zwei kleine mobile Krähne, Hamburg hat mehr als 30 große auf Schienen rollende Krähne oder sind es 50? Der Landgang beginnt zu Fuß ohne Shuttlebus und mit der Neugier auf einen neuen Ort.
Es ist früh am Samstagmorgen, die Straßen sind leer und es scheint sogar ab und zu die Sonne. Neben einer moderen „Stadt“, stehen Holzhäuser mit Gras bewachsenen Dächern in kleinen Gassen, wie aus einer vergangenen und isolierten Inselzeit. Die „Wikindernacht“ an Bord ist feucht-fröhlich mit traditionellem streng richenden oder besser stinkendem Shark-Fleisch, Lammleberpastete, Stockfisch, Bier und Wodka. Ich verziehe mich rechtzeitig, weil der Sturm immer kräftiger wird. Diese Nacht schlafe ich, wie von der Crew empfohlen, natürlich auf dem Sofa.
11. Tag, 5. August 2018
Die Sonne scheint am letzten Seetag und ich freue mich auf Aarhus. Eigentlich ist die Besichtigung der Maschine angesagt, der polnische Kapitän hat es mir zugesagt. Als ich dem zweiten Maschinisten erzähle, dass ich und der Kapitän kommen werden, reagiert er irritiert. Als ich den „Chief“ anspreche, reagiert dieser noch irritierter. Auf meine Nachfrage antwortet er: „Bei den russischen Seeleuten gibt es einen Aberglauben: Wenn Frauen in den Maschinenraum kommen, bringt das Unglück. Auch ein Koch dürfte nie dorthin kommen“. Ich akzeptiere die Bedenken und der Chief ist erleichtert und entschuldigt sich inbrünstig für den russischen Aberglauben.
Der letzte Seetag endet gemütlich mit einem schönen Sonnenuntergang, Wellen gucken, einem angekündigten Schluck Wodka mit dem Kapitän, zu den es dann allerdings nicht kommt, und dem Gefühl, ein schönes Abenteuer erlebt zu haben.
12. Tag, 6. August 2018
Rechtzeitig um 5:00h morgens auf der Höhe von Skagen, ganz im Norden Dänemarks, bin ich aufgewacht und starte meinen letzten Tag an Bord mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Geschäftiges Treiben erinnert daran, dass das Einlaufen in einen Hafen für die Crew und den Kapitän Routine aber auch Stress bedeutet
Um 15:00h, in den Hafen von Aarhus eingelaufen, setzt auch für mich wieder Routine ein: Herzliche Verabschiedung von der Mannschaft und einem großen Dankeschön an den 1. Offizier mit seiner Geduld und den Kapitän, der mir die unterschiedlichsten Wünsche gern erfüllt hat, sprich „Krähennest“.
Barbara Beutner, Hamburg